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Barpianist als Beruf

Dem Pianisten über die Schulter geschaut

Diese Rubrik ist für alle gedacht, die mehr über das Thema Barpiano erfahren möchten. Auf den folgenden Seiten gibt Martin Grütter Einblicke in das Berufsleben eines Barpianisten in Berlin und erste Anleitungen für alle, die selbst Hintergrundmusik auf dem Klavier spielen wollen. Außerdem finden Sie Informationen über die Geschichte des Barpiano-Spiels sowie ein umfangreiches Barpiano-Lexikon.

Aus dem Leben eines Barpianisten

Wie ist das, Barpianist zu sein? Wenn ich diese Frage höre, fällt es mir schwer, eine Antwort zu geben. Ich kann eigentlich nur sagen: Zwischen wunderbar und schrecklich kann es alles sein.

Martin Grütter

Es ist ein wunderbares Gefühl, mit seinem Spiel die Stimmung einer Gesellschaft zu lenken und die Wechselwirkung zwischen der Musik und den Gästen zu spüren. Es ist faszinierend, sich über Stunden an der Klaviermusik zu verausgaben, wenn man merkt, dass man die Feier positiv beeinflusst und die Gäste einem Komplimente machen. Daneben ist es hochinteressant, was für Menschen man im Laufe seiner Tätigkeit trifft: Selbst wenn es nicht Ernest Hemingway, Humphrey Bogart, Coco Chanel, Ali Khan und Rita Hayworth sind – so ging es dem legendären Bar-Pianisten und Alleinunterhalter Simon Schott im Paris der 50er Jahre: man bekommt als Musiker, gerade in einer so vielfältigen Stadt wie Berlin, Einblicke in Kreise, mit denen man im Alltagsleben nie etwas zu tun hat.

Der eigene Blick wird dabei größer, man lernt, seine eigene Lebensweise und die seines Freundeskreises zu relativieren. Man kann dann mitunter auch heimlich lächeln über Menschen, die ihren eigenen Lebensstil für absolut nehmen und sich gar nicht vorstellen können, dass es auch noch anderes gibt. Man bewegt sich selbstsicherer zwischen den Welten, und man merkt, dass es trotzdem eines gibt, was all diese Welten verbindet: die Musik.

Natürlich trifft man auch immer wieder einzelne außergewöhnliche Menschen. Kaum dass man sichs versieht, wird man als Klavierspieler zur Vertrauensperson einzelner Gäste. Ein Kriegsveteran erzählt mir von seinen Erlebnissen aus Russland. Ein freundlicher grauhaariger Herr erzählt mir bei einer Hochzeit in Berlin Westend ganz nebenbei, dass er in den 70er Jahren hunderte von Schlagern für bekannte Sänger komponiert hat. Einmal lässt sich ein Bankmitarbeiter lang und breit über Details seines Berufs aus, von denen ich mir sicher bin, dass sie eigentlich ganz und gar nicht für meine Ohren bestimmt sind...

Und das ist der Moment, wo der Musiker-Beruf manchmal auch schrecklich sein kann: Es ist die Überinformation. Man trifft so viele Menschen. Man hört so viele Geschichten. Man sieht so viele Wohnungen, so viele Restaurants, so viele Vorgärten. Man spielt so viele Noten, man kennt sein Repertoire in- und auswendig. Dann wünscht man sich manchmal, etwas ganz anderes zu machen, Schreiner zu werden oder Seefahrer. Aber zum Glück währen solche Anwandlungen nicht lange. Schließlich müsste man dann ja auf die Musik verzichten...